Steffen Fischer: Die Aufgeklärten

Die Aufgeklärten

 

Entstanden sind die Arbeiten (Galerie: Malerei 2005-11 „Die Aufgeklärten“ 01-10/“Die Bergung“) mit einer Zeitverschiebung von 4 Jahren, als Reaktion auf die medialen Berichte über 11.09. 01.

Zuhanden war mir dabei eine Fülle dokumentarischen Fotomaterials, welches unmittelbar nach dem Ereignis der pulverisierten Türme rund um den Tatort entstanden sind.

Mein Interesse konzentrierte sich vorwiegend auf die Physiognomien derjenigen Betroffenen, die gerade überlebt hatten. Das Zeigen von geborgenen Opfern des Angriffs in den Medien war untersagt. Sie tauchen kurz danach an öffentlichen Plätzen auf Fotos von Vermissten-Anzeigen der Hinterbliebenen auf.

Die Gesichter, Spiegel der Fassungslosigkeit über die zugefügte ungekannte Kränkung, tragen alle gleichermaßen das unglaubliche Staunen im Blick beim überwältigt werden vom real Undenkbaren. Die große Anstrengung beim Wahr-Haben- Müssen einer bis dahin nur von Hollywood präjudizierten Realität des Erleidens auf eigenem Boden, produziert eine tragisch – pathetische Aufmerksamkeit bei „Den aus dem Schlaf Gerissenen”.

Die Fragen wieso, warum, wem nützt es, stellten sich mir als distanzierten Medienbetrachter zwar aus einer anderer Perspektive, aber nicht weniger nachdrücklich., als es möglicherweise die ins Geschehen Verwickelten in ihren Gesichtern tragen..

Die Einzigartigkeit dieses Ereignisses ist ikonographisch und symbolisch gesättigt, ein paradigmatischer Auftakt des neuen Jahrtausends, es sagt seine medien- und bildkünstlerischen Referenzen jetzt schon voraus.

Ich bin sicher nicht allein der Ansicht, dass das medienumklammerte Konsumsubjekt der westlichen Wertegemeinschaft schon angekommen ist im neuen Zeitalter der „Antiaufklärung”. Deswegen erschien mir der Arbeitstitel „Die Aufgeklärten” geeignet, weil er in seiner ironischen Verkehrung, dessen was vorliegt, den Blickwinkel der kritischen Selbstreflektion anregen will.

Robert Kurz schreibt in seinem Buch „ Blutige Vernunft”:

„… Als hätte es nie eine intellektuelle Reflexion über die „Dialektik der Aufklärung gegeben“ und als hätte sich der liberale Begriff des Fortschritts in der katastrophalen Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht längst blamiert, kehrt in der Verwirrung über den neuartigen Akt des Wahnsinns die ebenso arrogante wie ignorante bürgerliche Geschichtsphilosophie des 18. und 19. Jahrhunderts als Gespenst zurück. Im krampfhaften Versuch, die neue Dimension des Terrors einem fremden Wesen zuzuschreiben, fällt das westlich-demokratische Räsonnement endgültig unter jedes intellektuelle Niveau.

Es ist das elementare Schema aller Ideologie: Statt den Komplex der Zusammenhänge aufzudecken, in die man selbst verwickelt ist, muss eine fremde Ursache für die Ereignisse gefunden und ein externer Feind definiert werden.

Aufgestörte westliche Intellektuelle entblöden sich nicht, den Terrorismus als Ausdruck eines „vormodernen“ Bewusstseins zu bezeichnen, das die Epoche der Aufklärung verpasst habe und deshalb die wunderbare westliche „Freiheit zur Selbstbestimmung“, den freien Markt, die liberale Ordnung und überhaupt alles Gute und Schöne der westlichen Zivilisation in Akten des blinden Hasses „verteufeln“ müsse…”

Der Tod ist hinter der Kinoleinwand als reales Ereignis hervorgetreten und er wird auch wieder hinter ihr verschwinden, wenn die Zeitdistanz zum Ereignis groß genug geworden ist, um als frischer Hollywoodgeschichtsmythos wieder hervortreten zu können.

Traumfabrik und Realitätsfabrik wechseln sich ab, oder fallen zusammen.

Ende der Geschichte ?

Für den aber, den es keine Ruhe lässt, fordern Illusion und Faktizität immer wieder und immer lauter ihre Differenz ein.

 

Steffen Fischer

2005

 

Gregor Kunz: Steffen Fischer und die Aufklärung der Herakliden

Gregor Kunz

Steffen Fischer und die Aufklärung der Herakliden

 

Steffen Fischer denkt in seinen Bildern, die Menschenbilder sind von Anfang an. Ihr Anstoß kommt von außen, aus der Beobachtung von Physis und Psyche, Begehren und Angst – individuell wie kollektiv – aus dem Mit- und Gegeneinander in den gesellschaftlichen Prozessen. Über Beobachtung, Reflektion und Arbeitsprozess entstehen Figuren, die sind und bedeuten, wächst eine figürliche Bildnerei der komplexen Situationen und Verhältnisse.

Zentrales Thema sind Männer und Frauen in Kontakten, in Umarmung und Umklammerung, in der Liebe oder mit ihren Surrogaten beschäftigt, aus ihr herausgefallen; Sexualität, Affekte, Triebe und ihre Domestikation, Anziehung und Abstoßung, die Inszenierungen des Sexual-Theaters stellen einen vitalen Kern, arbeiten untergründig wohl in allem. Die Hölle, sagt Fischer, das heißt doch labyrinthische Einsamkeit. Bis weit in die 90er dominierten Paare das Bild, seither überwiegen männliche Einzelfigur und Gruppe, dreht sich vieles um das männliche Prinzip, männliches Tun, Handeln, Verzweiflung, Engagement… Um die Hälften des Paars, wenn man so will, seine Spaltung

 

Was ins Bild kommt, muss ihn angehen, ebenso aber auch was dann im Bild ist, das Bild selbst. Mit dem „Schönen“, das sich einen Stoff sucht, kann Fischer wenig anfangen. Wenn ich versuche etwas schön zu machen, sagt er, dann wird es dumm. Wenn er seine Arbeiten ansehe, sollen sie zurückschauen können.

Es wäre die eigene, elementar-psychologische, mentale Verfassung, die Figuren frei und in Bewegung setze. Was sich im Bild abspiele, folge wieder eigenen Regeln. Er arbeite auf eine vage Bildvorstellung zu und in sie hinein, über den eigenen Bereich der Zeichnung – bei Fischer öfter eine Mischtechnik auf Papier – und/oder über das Collagieren diverser Materialien. Beides kann in Malerei münden, einem mittlerweile mehr oder minder deutlich abgesetzten Bereich.

In der Zeichnung lässt er es fließen, reagieren Farbflecken mit der Linie und der Schwerkraft, das Assoziativ-Informelle mit dem Konkreten, der Zufall mit der Erzählung. Ich lasse den Mitteln ihren Willen und reagiere, sagt er. Unterbrechungen sollte es nicht geben, die Zeichnung muss leicht und flüssig bleiben und ohne Korrektur auskommen. Das kalkuliert Zufällige in Geste und Schwung bringt Unbekanntes ans Licht, einen Überschuss, überraschende Lösungen, die Fragen einfordern.

Das Prozesshafte einer Malerei aus der Farbe heraus hat seit den 90er Jahren deutlich abgenommen, Malerei ist ihm eher ein trockener, die Zeichnung der nasse Bereich. Das Prozessuale, Gestische kommt freilich weiter vor, wenn Emotion in Wissen umschlägt, Wut in Antrieb. Aber er arbeite heute kontrollierter, er denke vor, konstruiere. Vorbereitende Montagen und Collagen verschmelzen mit Elementen der Zeichnung, Bildraum und Farbe folgen einem wohlüberlegten Aufbau.

 

Ist der Stoff selbstverständlicher Hintergrund, rücken die Gestalten vor, entwickelt nicht aus der Anatomie, sondern aus Einfühlung, Format und Situation, aus Farbe, Ausdruck und Linie, und transformiert in die eigene Handschrift: „Dann geht es auch um Schönheit, Harmonie, die Lesbarkeit. Ich muss das Collagenhafte zur organischen Einheit bringen, dass es ein Bild wird. Dann lass ich auch Sachen zu…“ Eine Geste beispielsweise, die so nicht abgesprochen war, Groteskes und Komisches, ein Kichern der Farbe, das Schwanken der Mimik.

Was Fischers Figuren unter anderem zum Sprechen bringt, dürfte selbst ein Gespräch sein. Genau gesehene Körpersprache und individuelle Mimik handeln die Figur miteinander aus, Kleidung und Gegenstände, Umfeld und Hintergrund sind gleichfalls Träger, gleichauf im Bildaufbau beschäftigt, aber nicht im Range der Figur.

Auch wenn formale Probleme und Probleme des Inhalts jederzeit gut miteinander zu tun haben, sind Farbe und Struktur nie Selbstzweck. Sie sind „Ableitungen von Moralität“, von Weltsicht. „Die Mittel müssen dienen und das Narrative, die Nacherzählung muss lesbar bleiben. Ich bin Umformer“, sagt der Künstler, „nicht Schöpfer.“

Ein Anspruch galt immer und gilt weiter: „Wichtige Kriterien in der Malerei sind für mich dann erfüllt, wenn das erzählend Gezeigte in der malerischen Stofflichkeit (Farbe, Raum, Licht, Plastizität) wie selbstverständlich aufgehoben erscheint“.

 

Fischers bildnerisches Denken bedient sich der Mythologie, uralter Mythen und neuer Legenden. In den letzten acht Jahren waren das vor allem Herakles-Stoff und die Ereignisse und Hintergründe des 11. September 2001. Wobei bedient den Sachverhalt nicht trifft, es ist eher eine Näherung in Verwandtschaft.

Mythen sind Menschheitserfahrungen, kollektiv verdichtete und in Geschichten erzählte, weithin lesbar gemachte Muster, kollektive Deutungen der Welt, die nach Gründen fragen und Gründe zuweisen. Sie fassen komplexe Prozesse in Bildern zusammen, die als Code funktionieren. Ihr Bestand – Orte, Personen, Handlungen – ist fest, wie sie gelesen und erzählt werden, ändert sich. Mythen antworten, je nach der Frage, mehrdeutig bis mehrfach oder gar nicht. Ihre Antworten nehmen die Interessen, Ängste, Wünsche der Fragenden auf und geben sie verändert zurück. Fischer fragt in seiner Serie „Prekäraklid (Die 12 Arbeiten des Herakles)“ nach dem anderen Leben, in der Serie „Die Aufgeklärten“ befragt er das Scheitern, Aufklärung und Antiaufklärung, die „Neue Weltordnung“. Die Komplexe überschneiden sich, was nicht nur in Steffen Fischer begründet liegt, sondern auch in der Natur der Sache.

 

Die Sagenkreise um Herakles arbeiten mit einer kollektiv geteilten Erfahrung, mit dem Einbruch der Griechen in einen älteren Kulturkreis, in den sie nicht passten und den sie kaum verstanden, den sie nicht einmal da, wo sie sich festgesetzt hatten, ganz beseitigen konnten und mit dem sie sich letztlich arrangiert haben. Entsprechend steckt die Sicht aller Beteiligten im Material: Gewusstes und Deutung, Unbewusstes und nicht mehr Gewusstes, verkapselt, aber nicht tot, Trauma und Befreiung.

Wie jeder Gründungsheros der griechischen Mythologie war Herakles eine geführte Maske, die tat, was sie musste, und die konnte, was ihre Erzähler können wollten. Aber vom dorischen Stammeshelden zum idealen Gesamtgriechen weitererzählt, bekam Herakles menschliche Züge: er denkt öfter selbst, er lehnt sich auf gegen Götter und Menschen und verstößt selbst noch gegen den eigenen Kodex, er arbeitet, er wird verrückt und rastet aus, er wird ortlos, er mordet und er liebt.

 

Fischers Interesse setzt bei Omphale an und zieht von dorther Kreise. Omphale war Königin im kleinasiatischen Lydien, der reisende Held Herakles begab sich unter ihre Herrschaft und liebte sie. Die spätere Überlieferung erzählt von diesem problematisch verklammerten Liebespaar im Ton der Missbilligung, da während der drei Jahre Herakles vergessen haben soll ein Held zu sein. Aber sie erzählt: Mythen, das wussten die Griechen, wahren ein eigenes Recht.

Fischer, der seinen Herakles in der Gegenwart kennt, aus der Kunstgeschichte und den Reduktionen des Gustav Schwab, hat die Geschichte, die in den Geschichten steckt, nicht weiter untersucht. Aber seine Bilder kennen sie. Sein Heros ist Widerspruch. Er agiert und wird agiert, ist Protz, tragischer Held und Hanswurst, Mime und Selbst. Er vögelt mit Vergnügen und weil’s erwartet wird, träumt schlecht, grübelt, irrt, erfindet weiche Waffen und gibt mit ihnen an, hört die Embryonen wachsen, studiert fremde Bräuche, wechselt die Kleidung, wird Tunte und Lilienkönig. Im Wahn tötet er Kinder, in der Hochzeit ist er alt.

Interessant genug: Tunte und Lilienkönig, der feminine Herakles sind bei Schwab und seinen Quellen verschwunden, aber die ältere Überlieferung kennt sie. Herakles ist hier Partner der Hera, von der er auch seinen Namen hat, ein schlanker Jüngling, ähnlich dem „Lilienprinzen“ von Knossos. Eine jüngere Überlieferung, die diese Koexistenz der Widersprüche nicht mehr aushielt, spaltete diesen ältesten Teil ab und übertrug ihn einem kretischen Herakles. Fischer bleibt bei der Reckenfigur des argeiischen Herakles, denkt mit ihr und hebt die Spaltung auf. Dieser Rollenwechsel ist ihm wichtig. „Herakles lief als militanter Typ, als soldatischer Mann an der Leine der Götter und irdischen Mächte. Omphale fällt da raus. Ich denke, das ist eine positive Öffnung“. Eine Öffnung hin zur Emanzipation, zur Selbsterziehung jenseits vorgegebener Ideen, der es nicht um Konkurrenz geht, sondern um das Ausschöpfen menschlicher Potenzen.

www.gregorkunz.info

 

 

Herakles in Lydien

Herakles in Lydien

 

beruft sich auf eine Episode aus dem Heldenleben des Herakles, wie sie uns durch die griechische Mythologie über-mittelt worden ist. Inwieweit der Kern der Geschichte durch Überlieferung und Na-chautorenschaft „aus”gelegt oder ver-fälscht worden ist, muss hier ohne Belang bleiben. Wichtig erscheint für mich die leibhafte Wahrscheinlichkeit des Erzähl-ten, die mir motivische Nahrung für mein Lieblingsthema „Die Geschlechter” an-bietet.

 

Herakles, ein nicht nur in der antiken Welt hochverehrter Held der nützlichen Taten und Befreier von irdischen und überirdi-schen Plagen, die auf Königreichen und Bevölkerung lasteten, ist ein Held im menschlichen Format. Von den Göttern oder der Vorsehung mit übernatürlicher Wehr und Schlagkraft ausgestattet, stellt er den antiken Prototyp des gerechten, unbestechlichen, selbstbewussten und unbesiegbaren Streiters für Gerechtigkeit und göttliche Ordnung dar. Der psycho-physische Grundriss seiner Person als Ur-gestalt, begründet und beinhaltet soet-was wie einen universellen Bauplan für eine Ethik des gerechten Kriegers. Die ideologische Ökonomie seiner Taten und sogenannten Arbeiten stellt ihn beim ers-ten Hinsehen als einen souveränen, e-manzipierten und reflektierenden Mann vor, der genau weiß was er will. Er ist der antike Vorläufer des 007 Agenten, nur das seine Auftraggeber damals weniger im Verborgenen blieben, als die Hinter-männer eines James Bond.

Nun war Herakles neben seinen großen selbstbestimmten Freiräumen im weltli-chen Handeln letztendlich den irdischen Königen verpflichtet, und er war an der langen Leine der Rechtfertigung seiner Taten gegenüber den Göttern gehalten. Anarchische Anfälle, selbstgerechte oder von ihm im Wahn begangene Gräuelta-ten (natürlich von den Göttern mutwillig gesendet oder provoziert), wurden sofort von „Oben” bestraft und zwangen den ahnungslosen Helden zu Reue und De-mut gegenüber der göttlichen Fügung.

 

Seine Figur ist für mich, in gegenwartsbe-zogenem Sinne an der Stelle interessant, insofern sich eine transhistorische und zeitlose Frage an seiner Figur immer wie-der neu auflegen lässt. Die Frage nach der Gesinnungs- und Besinnungslosigkeit des Söldners.

 

Was bringt immer wieder junge Männer dazu, im System Männermachtweltbe-trieb, sich zu ferngesteuerten und hirn-gewaschenen Schergen ausbilden zu lassen, um für ein fremdes Begehren das eigene Leben zu gefährden und aufs Spiel zu setzen?

Wieso ist die männliche Spezies so anfäl-lig dafür, sich als Sündenböcke vor den Karren von Feindbildern spannen zu las-sen, die sich andere zur Verschleierung und Durchsetzung ihrer materiellen Gier haben einfallen lassen ?

Wieso, wenn es schon nur um die konser-vativ-objektivistischen Werte des männli-chen Wertebewusstseins gehen soll, sind Frauen, Reichtum, Macht und Überle-genheit ein Streitgut, das nur über Berge von Leichen und kaputtgeschlagener Kultur zu erhalten sein sollen ?

 

Beim Stichwort „Frauen”, knüpft die Epi-sode an, um die es mir in meinem Zyklus zu Herakles. geht.

Als Sühne für ein im Wahn begangenen Mord bestimmt ihn ein Orakelspruch für ein Jahr zum Sklavendienst unter Ompha-le, der Königin von Lydien.

„Neben den Freuden der Wollust und der Fortpflanzung mit Omphale und mit den in ihren Umkreis sich befindenden Frau-en, versinkt Herakles in seiner blinden Liebe und Hingabe gegenüber Omphale soweit, das er in weichen lydischen Wei-berkleidern zu ihren Füßen sitzend, Wolle spinnt. Sein Nacken trägt jetzt ein golde-nes Weiberhalsband; die nervigen Hel-denarme umspannen Armbänder, mit Juwelen besetzt; sein Haar quillt unge-schoren unter einer Mitra hervor; langes Frauengewand wallt über die Helden-glieder herab.”

Herakles wird bestraft mit einer Rolle, die ihn quasi seitenverkehrt widerspiegelt in einer Position, die aus der Perspektive des männlichen Weltverständnisses ei-gentlich nur dem Weibe zukommt: die Aufgabe der persönliche Identität, um zum willfährigen objektivierbaren Gut männlichen Willens zu werden.

Die Herrschaftsfrage in ihrer paternalisti-schen Kontinuität wird hier nur invers ver-kehrt und dazu benutzt, männliche Insu-bordinanz gegenüber den Göttern mit dem schlimmsten zu bestrafen was ei-nem Helden damals zustoßen konnte: Unter dem Fron und im Dienste eines weiblichen Willens, sich der Lächerlich-keit preisgeben zu müssen.

 

Die Demontage des martialischen Hel-den zum weibischen Weichei ist aus pa-ternalistischer Sicht natürlich die schlimmste Fatalität die einem männli-chen Helden zustoßen kann. Sie ist gleichzusetzen mit Entartung und Zerset-zung der Substanz männlichen Selbstver-ständnisses.

 

Jedoch liegt in dieser Geschichte der Keim einer subversiven Utopie der Figur des Herakles, sich von seiner eindimensi-onalen Determiniertheit als Waffengän-ger und Gewaltprotz zu befreien.

Würde es Herakles in einer anderen zu schreibenden Geschichte gelingen die Wahrnehmung weiblicher Lebenswelt, Weisheit, und Sexualität mit Gelassenheit und als eine Bereicherung seines eige-nen Lebens zu erfahren, als einen Schritt hin zur Emanzipation von Fremdbestim-mung hin zur Befreiung von „patidioti-scher” Verfügbarkeit, so wäre die Gele-genheit reif, den längst fälligen Hochver-rat am sklerotischen Herrschaftsmodell der männlichen Vertikale zu üben.

 

Die Fahnenflucht aus verhärteten männ-lichen und weiblichen Rollenmustern in ihrer eindimensionalen Konditioniertheit, führte vermutlich, um Bewusstseinsprozes-se anstoßen zu können, erst einmal über die öffentliche Selbstkretinisierung der Akteure, die unbedingt das System retten wollen. Dies ist ja bereits in Polit-Talkshows oder in öffentlichen Parlamentsdebatten schon zu beobachten.

 

Die „Dämlichkeit” des Herakles in Frauen-kleidern diente einst in alter Lesart, als Abschreckungskomödie für eine vom rechten Pfad abgekommenen Männlich-keit.

 

Die Symbolkraft des Antihelden Herakles könnte in heutiger Lesart, angesichts ei-ner zunehmenden ökonomistischen Mili-tarisierung der Lebenswelten, von nicht zu unterschätzender Vorbildkraft für jun-ger Männer sein. Für junge Männer, die nicht mehr gewillt sind ihre Jugend im Dienst neuer Weltordnungskriege der demokratischen Bombergemeinschaften, oder anderer zweifelhafter von Rache geleiteten Politik zu verschwenden.

 

Steffen Fischer

2003

 

Die ist die Geschichte von Herakles